Fest der Sinne des Motorsports: Der Oldtimer-Grandprix am Nürburgring

Das gibt es nur an diesem Wochenende und nur an dieser Stelle: Der alljährlich am zweiten August-Wochenende stattfindenden Oldtimer-Grandprix des Automobilclubs von Deutschland (AvD) ist eine unvergleichliche Veranstaltung mit Rennfahrzeugen, die Geschichte(n) geschrieben haben. Zur historischen Vollgas-Party des Jahres in der Eifel: pilgerten auch in diesem Jahr wieder an die 60.000 Freunde dieser Boliden, die allesamt den Touch einer großen Vergangenheit mit sich führen.  Bei der 41. Auflage von Europas größtem Festival der Vergangenheit auf der Rennstecke lebte der Motorsport fast eines ganzen Jahrhunderts in einzigartiger Faszination auf.

Oldtimer-GP 2013 08Wenn Männer ihren Hochzeitstag verpassen, haben sie (meist) ein Problem mit ihrer Gattin. Wenn Männer aber den Termin des Oldtimer-Grandprix auf dem Nürburgring verpassen, haben sie in der Regel ein Problem mit sich selbst. Was jetzt tief greifender und folgenschwerer ist, mag jedermann, der sich angesprochen fühlt, für sich alleine beantworten. Fest steht indes, dass wir als Beobachter am Samstag und Sonntag auf der altehrwürdigen Nordschleife und an der Grand-Prix-Strecke ausnahmslos glückliche Gesichter gesehen haben. Und zwar beiderlei Geschlechts.

Oldtimer-GP 2013 178jpgDenn wer nur ein wenig „Benzin im Blut“ mit sich führt,  der war – so es ihm irgendwie aufgrund von Zeit und Entfernung möglich war – am zweiten August-Wochenende auf dem „Ring“. Denn so nahe wie beim „Oldie“ kann man etwa  den Formel-1-Rennern der 1960er bis 1980er  Jahre von den  Zeiten eines Jack  Brabham oder John Surtees bis hin zum Beginn der Turbo-Ära nie kommen als bei dieser Gelegenheit. Sei es beim Gang durch die beiden Fahrerlager, die Boxengasse oder als staunender Tribünengast bei einigen der insgesamt knapp 20 Rennen.

Oldtimer-GP 2013 09Der „Oldie“, das ist ein Fest der Sinne des Motorsports: Wie die Formel-1-Boliden der unvergessenen Nordschleifen-Jahre maßen sich auch Touren- und Grandtourisme-Fahrzeuge,  Sportwagen, Prototypen  und ehemalige Teilnehmer aus der Deutschen Rennsportmeisterschaft auf der Grand-Prix-Strecke. Die Nordschleife wurde zu Demo-Runden von Fahrzeugen genutzt, die zum Teil unbezahlbare Unikate aus den 1920er und 1930er Jahren waren. Das Zeitfenster der mehr als 600 Rennfahrzeuge an diesem Wochenende reichte von einem 12 PS starken Rennwagen der Opel-Klassik aus dem Jahr 1903 bis hin zum Zwölfzylinder BMW LMR, mit dem Joachim „Jockel“ Winkelhock  1999 den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans holte.

Oldtimer-GP 2013 23Auf dem Asphalt tummelten und duellierten sich bei traumhaften äußeren Bedingungen Klassiker, die diesen Namen weiß Gott verdienen: In der „Grünen Hölle“  fuhr, was Rang und Namen hat. Renne, in denen die Fahrer um jeden Zentimeter an Boden im Windschatten oder nebeneinander kämpften, um sich danach verschwitzt und ölverschmiert gegenseitig zu gratulieren. So war Motorsport einmal, so sollte er sein, und so war es auch der Fall am Wochenende. Da entscheid die Technik und der Zustand des Autos und die Leistung des Piloten über die Platzierung. Und nicht der Teamkollege Computer am Kommandostand.

Aber der „Oldie“ war nicht nur ein motorsportlicher Wettbewerb. Aus Europas größter historischer Rennveranstaltung des Jahres wurde auch eines der größten Oldtimer-Treffen. Die Werke hatten die Tore ihrer oft traditionsreichen Vergangenheit geöffnet, weil sich viele Autohersteller mittlerweile immer mehr der Bedeutung ihrer eigenen Geschichte und ihrer Herkunft bewusst werden. Auch viele Markenclubs (Porsche, Alfa Romeo, BMW, Opel, Jaguar, um nur einige stellvertretend zu nennen) gewährten mit einzigartigen Exponaten einen Blick durch das Zeitfenster der Geschichte.

Oldtimer-GP 2013 07Es gab auch in diesem Jahr wieder jede Menge Jubiläen beim Oldtimer-Festival des AvD zu feiern: 90 Jahre Le Mans, 50 Jahre Porsche 911, 40 Jahre schnellste Nordschleifen-Runde aller Zeiten durch Stefan Bellof im Porsche 956. Auch das sind nicht alle „runden Geburtstage“ mit rennhistorischem Hintergrund. Doch das Gesamt-Kunstwerk Oldtimer-Grandprix ist keine numerische Aneinanderreihung historischer Termine. Von den Besuchern  wird auf dem Nürburgring kein „Kalender im Dauerlauf abgearbeitet“, damit man zum Ende des Tages bloß kein historisches Datum verpasst hat.

Oldtimer-GP 2013 03Denn wer mit Genuss zum alljährlichen Höhepunkt des historischen Motorsports in die Eifel kommt, der tut das, weil er Empathie empfinden kann: Freude an heute vorsintflutlich anmutender, aber einstmals aktuellster Automobil-Technik.  Freude am Crescendo fortissimo des furiosen Spiels der Ventile. Freude an Fahrzeugen, die durch ihre Erscheinung, und je nach Alter auch durch ihre Noblesse und Erhabenheit den Nürburgring für drei Tage zum „Louvre des Motorsports“ werden lassen.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun