Test Opel ADAM R2: Die mühselige Verdosung des Piloten im Rallye-Käfig

Zurück in die (bessere)  Zukunft: Mit einem breit angelegten Motorsport-Programm  auf der Rundstrecke und im Rallyesport will der  traditionsreiche deutsche Autobau  Opel nicht nur die eigene erfolgreiche Tradition beleben, sondern sich auch ein neues, jugendliches,  Image verschaffen: Opel, das ist die Botschaft, Opel soll (wieder) Spaß machen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Optisches Signal und Hoffnungsträger bei der (jungen) Kundschaft ist – vor allem im Rallyesport – der kleine Cityflitzer Adam, der an den Gründervater Adam Opel erinnern soll.

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Genau mit diesem Fahrzeug als Basis aus der Serienproduktion haben die Rüsselsheimer gemeinsam mit dem Club den „ADAC Opel Rallye Cup“ ins Leben gerufen.  Ein bezahlbarer Sport für junge Leute, die Spaß an dieser „Talentförderung mit Perspektive“, wie Opels Motorsportdirektor Jörg Schrott den Cup nennt, haben. Unterbau der nationalen Homologation (Zulassung für den Motorsport) ist die Adam-Cup-Variante, beatmet von einem 1,6 Liter großen Sauger mit 140 PS, der an das Regelwerk des Weltmotorsport-Verbandes FIA angelehnt ist. Für 24.900 Euro können sich Interessenten das von Holzer Motorsport aus dem schwäbischen Bobingen vorbereitete Auto zulegen und als eines von 24 Teams im Cup antreten.

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In diesem Jahr hat Opel die „zweite Stufe“ seines Rallye-Programms gezündet.  Mit der Weiter-Entwicklung des Cup-Adam, des nunmehr 190 PS starken „Adam R2“  treten die Rüsselsheimer im professionell betreuten „Opel Junior Team“  unter anderem bei ausgesuchten Läufen zur Rallye-Europameisterschaft und bei der ADAC Rallye Deutschland, dem nationalen Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft, an.   Obwohl der Autor aus belegbaren Gründen, die in allen Ausweisdokumenten  manifestiert sind, keine Aufnahme mehr im „Junior Team“ finden wird,  durfte er das Wettbewerbsfahrzeug aus der Rallye-EM auf einer ausgesuchten Wertungsprüfung der Wartburg-Rallye in der Nähe des thüringischen Eisenach unter Wettbewerbsbedingungen testen.

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Jetzt kommen nicht nur satte 50 PS (also etwa ein Drittel an Leistung hinzu), sondern auch ein vollkommen anderes Fahrverhalten. „Das Fahrwerk aus dem Cup-Auto des vergangenen Jahres war so eine Art Eier legende Wollmilchsau, also für jeden Untergrund geeignet. Dieses Fahrwerk für den R2 ist dagegen ungeheuer individuell einstellbar“, erklärt Rallyeprofi Horst Rotter, der die Entwicklung des Fahrzeugs mit betreut hat. Zunächst aber gilt es, die „Verdosung“ des Piloten in den Käfig unter schlangengleichen Bewegungen vor zu nehmen. Meine furchtlose Bewältigung dieser Aufgabe hätte wohl der Aufnahmeprüfung im Zirkus Sarrasani zur Ehre gereicht.

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In der Früh herrschen an diesem Tag im Thüringen Rennsteig noch Temperaturen um den Gefrierpunkt. Auf der Strecke ist leichter, angefrorener „Zuckerguss“. „Das wird leicht schmierig werden, wenn die Sonne erst mal herauskommt“, denke ich mir. Vor uns liegt die Wertungsprüfung (WP), ein ansteigendes Asphalt-Geschlängel mit scharfen Kurven. Den Aufschrieb für die abgesperrte Strecke, das so genannte „Gebetbuch“ des Rallyefahrers, haben wir bereits am Vorabend erstellt.

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Die Service-Crew von Opel Motorsport hat im eigenen Zelt mit Lkw schon am Vorabend Station bezogen und den „R2“ mit dem für diese Verhältnisse  entsprechenden Reifenmaterial (sanft angeschnittene Intermediates) ausgestattet. Den segensreichen Auswirkungen moderner Rallyetechnik sei Dank, habe ich den linken Fuß, der in der Regel zum Bedienen des Kupplungspedals vorgesehen ist, in Gedanken „abgeschnallt“ und bediene mich der bekannten Technik des sequenziellen  Getriebes.  Was heißt: Gänge im Bruchteil von Sekunden rein knallen, das ultraleichte Pedal zurück schlagen lassen, und  dann zerren die 190 Pferdestärken mit brachialer Gewalt an der Vorderachse.  Es beginnt der Tanz mit Händen und Füßen, Multitasking an der Pedalerie und am Volant.

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Ich bin, festgezurrt fast bis zur Bewegungsfähigkeit in der Karbonschale namens Sitz,  „gespannt wie ein Flitzebogen“ auf  Stufe zwei des Rallyeprogramms von Opel und ADAC. „Wenn wir damit keinen zweiten Röhrl finden, dann nie mehr“, hatte ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk dem Projekt vor Jahresfrist mit auf den Weg gegeben. Der „R2“, das merke ich gleich, verlangt unendlich mehr Konzentration, Sensibilität, hinein horchen in Fahrwerk, Lenkung und vor allem in die Entfaltung des Kraftpotentials. Zum 140-PS-Cup-Auto ein himmelweiter Unterschied.

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Der „R2“ schießt mit einer Mischung aus infernalischem Röhren und Brüllen in die erste Bergaufpassage.  Jetzt gilt es, Hände, Füße, und Kopf miteinander in Einklang zu bringen: Blick auf die Strecke, hören auf den Co, arbeiten am zuckenden Lenkrad, reinknüppeln der Gänge, dazu ein gefühlter Cha-Cha-Cha auf den trocken geriebenen Pedalen.  Auf dem Untergrund, bestehend aus Asphalt, leicht angefrorenem Böschungsmatsch und einigen schon recht schmierigen Passagen im Bereich der frühen Morgensonne, ist die Umsetzung unseres „Gebetbuches“ nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch eine Mutprobe.  Das „anstellen“ des Autos und das schneiden der Kurven, der so genannte „Cut“, führt zu wildem Hüpfen und Schlingern unseres Sportgerätes. Nein, bei allem Ehrgeiz, ich merke: Fürs Junior Team reicht es nicht mehr. Und was, was ich vor vielen Jahren selbst mal aktiv im Rallyesport bewegt habe, war eine völlig  andere Welt.

Für die Marke Opel ist dieses Rallyeprogramm ein wichtiger Baustein der Markenstrategie. Der Adam, und nichts anders ist ja auch diese geschärfte  Variante, ist das Signal an junge Käuferschichten, dass Opel nach langer Abstinenz im Motorsport wieder zurück ist.  Jörg Schrott, Motorsportdirektor des Hauses Opel, ist dementsprechend zufrieden:  „Unsere Kundensport-Projekte wie der  ADAC Opel Rallye Cup treffen den Zeitgeist und kommen gut an. Die Resonanz seitens Fans, Teilnehmer und Handel war überwältigend.“ Unsere auch. Und das auch morgens kurz nach Sonnaufgang am eiskalten Thüringer Rennsteig.

Zu Risiken und Nebenwirkungen frage ich meine Bandscheiben und allerlei andere mehr oder weniger sinnvolle Innereien…

Jürgen C. Braun